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Alpenbrevet 2015 (37 Bilder) |
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Bericht von Hans: Das größte Volksradrennen der Schweiz führte mich bei strahlendem Sonnenschein und hohen Temperaturen über 279,5 Kilometer und 7031 Hm vom Hasli über den Grimselpass (2165) ins Wallis, von dort über den Nufenenpass (2473) ins Tessin, über den Lukmanierpass (1971) nach Graubünden, weiter über den Oberalppass (2044) in den Kanton Uri und zum Dessert 1300 Höhenmeter über den Sustenpass (2282) zurück nach Innertkirchen. Manche würden sagen, er ist ein Spinner. Niemand tut sich freiwillig ein Amateur-Radrennen über fünf Pässe an. Nach einer kleinen Welle und gerade einmal 6km begann der Anstieg auf die erste Passhöhe. Auf 26,5km ging es 1506hm hinauf zum Grimselpass. Mit durchschnittlich 7% ließ er sich recht flüssig treten, aber man spürte, dass durch die Länge schon ordentlich Körner aus den Beinen gezogen wurden. Bei Kilometer 50 stand der zweite Pass an. Mit 13km Länge und 1088hm sollte dies meiner Vorplanung nach einer der einfacheren Anstiege werden. Ich wusste zwar, dass ab Beginn der Steilwand die Steigung nicht mehr unter 9% sinkt, aber dass es die ganze Zeit vorher auch schon so steil in den Himmel strebt, hatte ich nicht erwartet. Tatsächlich ging es durchschnittlich mit 9% bergauf mit Spitzen von 13%. Aber das wurde schnell wieder verdrängt und es ging in die wohlverdiente Abfahrt. Nun ja, sie war nicht gerade angenehm zu fahren. Die Fahrbahn bestand aus Betonplatten, leider gingen dieses Schläge nicht in das Fahrwerk eines Autos, sondern direkt in meine Knochen. Die Kehren mussten hart angebremst werden, und ich habe mit voller Kraft an den Hebeln ziehen müssen. Unglaublich, wie manche sich in die Abfahrten stürzten. Selbst vor Haarnadelkurven schienen einige gar nicht zu bremsen. Nun folgte ein Streckenabschnitt, der wie Balsam auf die geschundenen Knochen wirkte. Mit 1 bis 3% Gefälle ging es auf 36km abwärts nach Biasca. Endlich konnte ich auch wieder ein wenig nach links und rechts schauen. Man war plötzlich in einer ganz anderen Klimazone. Die Berghänge waren hier mit Grün wahrlich überwuchert. Am Straßenrand standen Palmen und es wurde richtig sommerlich warm. Ich fand eine gut funktionierende Gruppe und mit einem 45er Schnitt flogen wir durch diese wunderschöne Gegend. Nun stand Lukmanier auf dem Programm. Es geht auf ca. 41km 1670m bergauf bis knapp unter 2000m. Mit einer Durchschnittssteigung von 5% sollte man meinen, es wäre eine der einfacheren Aufgaben. Aber man täuscht sich, denn die letzten Kilometer ziehen sich unglaublich lang hin und die 10% max. Steigung tun dann einfach nur weh. Nun nahm das Drama seinen Lauf, ab der Passhöhe konnte ich nichts mehr Essen und Trinken (Aufgrund eines Virus den ich mir Ende Juni eingefangen habe) dadurch hatte ich einen starken Leistungsabfall von dem ich mich bis ins Ziel nicht mehr erholen sollte. Nummer vier der Bergmonster war der Oberalppass. Nun endlich musste es doch mal einen Anstieg geben, bei dem man sagen konnte: „Der war der leichteste.“ Die Daten sprachen auch dafür, dass man hier am wenigsten leiden musste. Auf 22km ging es mit einem Schnitt von 5% Steigung mit 900hm auf über 2000m, und wieder bestand die Fahrbahn aus groben Betonplatten diesmal aber bergauf mit Fugen von einer Breite mit 6-7cm. Ich konnte die Abfahrt kaum erwarten, also ging es in die Schöllenschlucht. Eine beeindruckende Abfahrt. Aber man muss doch sehr konzentriert sein, denn man muss hier sehr auf den Verkehr achten. Es ging durch Galerien und Tunnel in engen Kurven nach unten. Ein Meisterwerk der Straßenbaukunst. Dann der Sustenpass, ich wusste nicht so richtig, ob ich mich über den letzten Pass freuen oder ihn fürchten sollte. Eigentlich steht ja nur noch dieser Berg im Weg und dann ist es geschafft. Doch seine Daten und mein Wohlbefinden verraten nichts Gutes. Auf 18km ging es noch mal 1300hm hinauf mit durchschnittlich 7% und max. 12%. Die Straße zieht sich endlos erscheinend an einer Bergflanke entlang und ich war mit meinen Kräften total am Ende. Ich war aber nicht der einzige, dem es so erging. Manche mussten hier schieben, andere wankten mit ihrem Oberkörpern hin und her, um mit Hilfe des Körpergewichts ein klein wenig Druck auf die Pedale zu bringen und die Beine zu entlasten. So sehr musste ich noch nie an einer Steigung leiden. Ich fragte mich, warum ich mir kein anderes Hobby suchen konnte. Zum Beispiel Briefmarken sammeln, Computer spielen oder Fussballerbildchen tauschen und einkleben. Irgendwas ohne Anstrengung, Schinderei und Krämpfen. Aber nein, ich wählte ausgerechnet das Bestehen des schwersten Radmarathons Europas. Und das habe ich nun davon, Schmerzen, totale Erschöpfung und qualvolle Momente. Hier an diesem Berg wurden mir knallhart meine Grenzen aufgezeigt. Als die letzten 2 Serpentinen begannen (mehr gab es auf diesen Berg nicht), war dann der Ofen aus. Bisher hatte ich immer nur in Erfahrungsberichten davon gelesen, dass man mit sich selbst spricht, wenn einfach kein Funken Kraft mehr da ist, aber man trotzdem noch eine solche Wand vor sich hat. Ich sagte mir: „Dafür hast du das ganze Jahr trainiert, du kannst jetzt nicht aufgeben, kämpfe…kämpfe…KÄMPFE!“ Es ging um die letzte Serpentine, nur noch ein paar hundert Meter bis zum Scheiteltunnel. Jeder Tritt war pure Quälerei. Diese letzten Meter waren unglaublich lang und schwer, doch irgendwie schaffte ich es doch und kam fix und fertig am Verpflegungspunkt an. Ich nahm nur einen Becher Cola und zog mich schnell an. Es ging nur noch bergab, von 2282m bis auf 630m. Es fiel so schwer, trotzdem noch zu treten, aber die Aussicht gleich im Ziel zu sein weckte die letzten übrig gebliebenen Kräfte. Meine Zielsetzung von unter 12 Stunden 30 Minuten habe ich um 2 Stunden 20 Minuten verpasst und dies kratzte schon ganz schön am Ego. Das war mit Abstand das härteste Langstreckenevent an den ich je teilgenommen habe. Jetzt mit ein paar Tage Abstand, ist von der Resignation nichts mehr zu spüren und das Bestehen dieser Tortur erfüllt mich mit Stolz. Es war ein unglaubliches Erlebnis. Die Veranstaltung war perfekt organisiert. Die Eindrücke, die man vom Alpenbrevet mitnimmt, vergisst man nicht mehr. Das Alpenbrevet ist zweifellos das Rennen mit dem höchsten Erlebniswert. |
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